Bei mehrstufigen Zufallsversuchen wie zum Beispiel das Ziehen von drei Karten aus einem Kartenspiel ist es wesentlich, ob die jeweils gezogene Karte zwischendurch wieder zurück in den Stapel geschoben wird oder nicht. In der Wahrscheinlichkeitsrechnung unterscheidet man deshalb zwischen Versuchen mit und ohne Zurücklegen.
Wir betrachten dazu das zweimalige Ziehen einer Karte aus einem Skatblatt (32 Karten) mitsamt dem Ereignis "Ass gezogen" - einmal mit und einmal ohne Zurücklegen.
Allgemein sieht man, dass sich der Nenner bei Versuchen ohne Zurücklegen mit jedem Versuchsschritt um einen verringert (da ein Objekt je Schritt ja aus dem Versuch entfernt wird). Der Zähler hingegen ist abhängig vom Ergebnis des Vorzugs und verringert sich nur, wenn das zugehörige Ereignis bereits im Vorzug eingetroffen ist.
Im Gegensatz zu Bäumen mit Zurücklegen sind Bäume ohne Zurücklegen also asymmetrisch. Besonders deutlich wird das bei unserem Beispiel beim Ziehen der fünften Karte: Hat man in den ersten vier Zügen bereits alle vier Asse gezogen, so gibt es ja kein weiteres Ass und die Wahrscheinlichkeit für ein fünftes Ass wäre 0% - man läßt diesen Ast dann sogar ganz weg und schreibt dort an den Ast für "kein Ass" \(\frac{28}{28}\) bzw. 100%.
Man rechnet in Bäumen ohne Zurücklegen übrigens genau so wie in den normalen Bäumen - es ändern sich lediglich die Wahrscheinlichkeiten an den Ästen.
Es gelten also weiterhin beide Pfadregeln, so berechnet man in unserem Beispiel die Wahrscheinlichkeit für das Ereignis \(E_1\) "Ass Ass" wie bekannt nach erster Pfadregel durch \(p(E_1)=\frac4{32}\cdot\frac3{31}\).
Auch die zweite Pfadregel gilt, also ist zum Beispiel die WSK für \(E_2\) "genau ein Ass aus zwei Versuchen" \(p(E_2)=\frac4{32}\cdot\frac{28}{31}+\frac{28}{32}\cdot\frac4{31}\).
Zum Abschluss noch eine kleine Verständnisfrage. Angenommen, man zieht die Karten nicht nacheinander, sondern gleichzeitig? Sollte man dazu einen Baum mit oder ohne Zurücklegen zeichnen?
Klar, wenn man gleichzeitig zieht, kann die erste Karte nicht erneut in den gezogenen liegen - es handelt sich also um einen Versuch ohne Zurückliegen.
Anders übrigens beim gleichzeitigen Würfeln zweier Würfel: Wenn der erste Würfel eine 6 zeigt, ist diese beim anderen Würfel ja nicht weg - hier handelt es sich um einen Versuch mit Zurücklegen.
Zusammenfassung Versuche mit/ohne Zurücklegen
- bei Versuchen ohne Zurücklegen ändern sich die Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Versuchsstufen je nach Ausgang des Vorergebnisses.
- die Pfadregeln gelten weiterhin, so dass man Wahrscheinlichkeiten bestimmter Ergebnisse genau so berechnen kann, wie bei Versuchen ohne Zurücklegen.